Das Eröffnungsspiel der Drittliga-Saison 2012/13.
Mit dem Traditions-Verein aus Bielefeld und dem Zweitligaabsteiger aus Aachen traten zwei der bekanntesten Teams der Liga zum ersten Spiel der neuen Saison am Freitagabend vor fast 15 000 Fans auf der ehrwürdigen „Bielefelder Alm“ an. Die Hausherren unter Trainer Stefan Krämer präsentierten sich in bekannter Weise und mit nur einem Neuzugang in der Startelf, während die Aachener Mannschaft nach dem Abstieg runderneuert, aber mit prominenten Namen wie Sascha Rösler und Albert Streit daher kam.
Beide Teams spielten mit einem beweglichen nominellen Mittelstürmer (Klos bzw. Thiele) und im Grundsatz Varianten des 4-5-1, wobei die Bielefelder Formation eher ein 4-1-4-1 darstellte, während die Aachener eher ein 4-2-3-1 praktizierten. Somit trafen unterschiedliche Anordnungen der Mittelfeld-Dreiecke aufeinander, doch duellierten sich die zentralen Akteure durch diese Spiegelung oftmals direkt miteinander, was zu einem intensiven und insgesamt oftmals ausgeglichenen Spiel führte.
Allerdings gab es auf beiden Seiten viele Rochaden im Mittelfeld, was andererseits immer wieder neue Situationen entstehen ließ, so dass sich teilweise viele Räume öffneten, anderseits bestimmte Gegenspieler über kürzere Intervalle gegenseitig blockierten. Bei den Gästen rochierte Streit immer wieder nach vorne oder auf die linke Seite, tauschte manchmal allerdings auch mit Demai. Auch die Bielefelder Achter wechselten gelegentlich ihre Grundpositionen, rochierten darüber hinaus zudem kontrolliert im Aufbauspiel: Jerat zog von der halbrechten auf die halblinke Seite, während Schönfeld praktisch vor ihm wegrochierte und sich nach halbrechts bewegte, um Demai mitzuziehen (siehe Grundformationen-Grafik).
Aachens Anfangsüberlegenheit
In den ersten Minuten waren die Alemannen die überlegene Mannschaft – defensiv zogen sie ein gutes Pressing auf, offensiv sorgten sie immer wieder für viele Vorstöße (Schwertfeger). Gerade der offensivere Achter Albert Streit rochierte immer wieder weit mit nach vorne oder auf die Seiten, um gegen die recht mannorientiert deckenden Bielefelder Überzahlsituationen herzustellen.
Weil die weiträumigen Bewegungen Streits in diesem Zusammenhang von der Arminia – konkret von ihren im Rückwärtsgang teilweise zu langsamen und zu wenig dynamischen Achtern – nicht gut genug verfolgt wurden, konnte der Aachener Kapitän in der Anfangsphase das Heft an sich nehmen und einige gute Szenen initiieren, in denen die Gäste die Bielefelder überluden. Diese kurze Phase reichte der neuformierten Alemannia aufgrund ihrer fehlenden Eingespieltheit allerdings noch nicht, um aus diesen Ausgangssituationen Zwingendes zu erspielen.
Bielefeld wird stärker
Im Laufe des ersten Durchgangs wurde die Aachener Mannschaft allerdings zu stark in sich geteilt. Streits Ausweichen auf die Seiten oder in sehr hohe Positionen konnte zwar weiterhin Überzahlen generieren, doch auf der Kehrseite der Medaille ließ man dadurch zu viel Raum in der Spielfeldmitte und die Arminia somit besser ins Spiel kommen.
Auch wenn Tim Jerat die entstandenen Räume im Zentrum nicht unmittelbar in Form von guten Aktionen nutzen konnte, wurde doch der gesamten Bielefelder Mannschaft das Spielen erleichtert. In der Defensive konnte der Aachener Spielaufbau durch deren tendenzielle Teilung zwischen fünf defensiven und fünf offensiven Spielern und der fehlenden Anbindung zwischen diesen beiden Teilen vereinfacht zugestellt und somit eigene Stabilität gewonnen worden. In der Offensive war es für die Arminia durch die größeren Räume in der Mitte einfacher möglich, sich nach vorne zu arbeiten und den eigenen Spielaufbau anzukurbeln.
Zwar waren die Verbindungen zwischen den Bielefelder Spielern im Angriff gerade in der Breite auch nicht ideal, doch durch die Räume im Mittelfeld konnte man sich zumindest leichter nach vorne spielen und Kontrolle sowie Druck aufbauen. Situationen wie vor dem Bielefelder 1:0, einer eigentlich recht simplen Halbfeldflanke von Rahn, der sich zudem in einer lokalen Unterzahl befand, wurden somit in verstärktem Maße, also in höherer Quantität möglich und führten daher irgendwann zu einem Treffer.
In dieser Phase der Begegnung stockte der Aachener Spielaufbau aufgrund der Problematik, leicht zu erreichende und nah genug postierte Anspielstationen zu finden. Allerdings gelang es den Gästen dafür gut, einige längere Pässe zum Überspielen ihres Lochs im Mittelfeld zu nutzen und diese vorne sehr gut zu verarbeiten. Nach abgelegten oder weitergeleiteten Bällen kamen die Aachener zu einer Reihe von Halbchancen. Gerade Rösler zeigte sich im Sturmzentrum sehr ballsicher und brachte viele Bälle auf die einlaufenden Außenspieler, besonders Heller. Der ehemalige Frankfurter erzeugte interessante Wechselwirkungen mit Thiele, der oftmals den entgegengesetzten Laufweg machte und damit Heller Raum öffnete.
Aachen mit mehr Kontrolle im zweiten Durchgang und starkem Endspurt
Nach dem Seitenwechsel übernahmen die im Rückstand liegenden Gäste die Kontrolle und rückten weiter nach vorne auf. Durch diese mutigere Ausrichtung wurden die Spielerabstände in der Vertikalen und damit auch das Problem der tendenziell zweigeteilten Mannschaft verkleinert. Gelegentlich sorgten auch interessante Vorstöße von Innenverteidiger Olajengbesi, der dabei Demai praktisch hinterlief, für mehr Optionen im Mittelfeld, das somit leichter zu überbrücken und bespielen war.
Die Aachener bauten nun kontinuierlich mehr Druck auf, während die Arminia sich stetig weiter zurückzog und unbewusst wie ungewollt immer tiefer zurückwich. Gegen diesen schleichenden Prozess konnte sich die zu passiv agierende Heimmannschaft nicht wirklich wehren und ließ sich daher hinten einschnüren – auch Trainer Krämer beklagte nach dem Abpfiff die Passivität und die dadurch immer mehr zunehmende Handlungs-Ohnmacht.
Doch trotz ihrer Überlegenheit fehlte den Aachenern lange Zeit die entscheidende Durchschlagskraft. Erst in den letzten 20 Minuten wurden sie in dieser Hinsicht gefährlicher, konnten aus ihrem Übergewicht verstärkt Chancen kreieren und letztlich auch noch den Ausgleich erzielen.
Ein ganz entscheidender Punkt war dabei, dass Aachen nun die offensive linke Seite wieder verstärkt in den Blick nahm. Mit der Einwechslung von Pozder für Baumgärtel fiel der bisherige Außenspieler Andersen (war für Kafkir gekommen) auf die Linksverteidiger-Position und sorgte von dort für mehr Druck nach vorne. Mit den auf die Seiten abkippenden Pozder und Streit stellten die Aachener nun ein Übergewicht in diesem Spielfeldbereich her. Kein Wunder, dass das Ausgleichstor über links fiel und von den genannten Spielern initiiert wurde. Eingeleitet wurde der Angriff vom insgesamt sehr starken Streit, der sich erneut auf links fallen gelassen hatte. Anschließend brachte eine Dreier-Kombination zwischen dem weit aufgerückten Andersen, dem diesmal von ganz rechts eingelaufenen Heller sowie Thiele den Treffer – neben dem Überladen der linken Seite war es das Heller/Thiele-Tandem, das verantwortlich zeichnete.
Fazit
Am Ende ein gerechtes Remis in einem Spiel, das fußballerisch nicht unbedingt gänzlich zu überzeugen, dafür aber aus taktischer Sicht mit einigen interessanten Rochaden und daraus entstehenden Wechselwirkungen zu gefallen wusste. Beide Mannschaften zeigten bereits bestimmte gut abgestimmte Teilkonzepte und könnten – auch wenn Voraussagen zu solch einem frühen Zeitpunkt natürlich nur sehr vage zu machen sind – das Potential haben, um in den oberen Tabellenregionen mitzuspielen. Andererseits gibt es auch noch genug Aspekte mit Verbesserungspotential (Bielefelds Spielaufbau, der von zu vielen langen Bällen geprägt war). Bedenkt man in dieser Hinsicht, dass Aachen im Gegensatz zu Bielefeld noch nicht eingespielt war, dürften die spielerisch stärkeren Alemannen wohl der größere Favorit sein als die Arminia. Werden Defensive und Offensive noch besser angebunden und wird die Abstimmung beim Ausspielen von Aktionen im letzten Drittel verbessert, dürfte Aachen der Rolle des Topfavoriten gerecht werden können.